Viele Führungskräfte, z.B. Politiker*innen, erledigen Ihre Jobs mit Leidenschaft. Vermutlich sind Trump, Bolsonaro oder Johnson auch leidenschaftlich. Trotzdem fallen mir in der Corona-Krise Unterschiede – mal abgesehen vom Geschlecht – auf, z.B. im Vergleich zu Merkel oder Ardern (Neuseelands Premierministerin). Wohin führt ihre Leidenschaft? Und was steckt dahinter?

Simon Sinek („Start with the why“) hat mit seinem „Golden Circle-Modell“ die These aufgestellt, dass die meisten Menschen vom Was über das Wie nachdenken und kommunizieren, aber dabei das Warum vergessen. Das Warum, das den Sinn, Zweck oder die Intention einer Handlung beschreibt. Das entspricht auch meiner Erfahrung, wenn ich Führungskräfte nach dem Warum ihres Handelns oder dem eigentlichen Zweck ihres Unternehmens frage: es fällt ihnen sehr schwer eine Antwort darauf zu geben.

C. Otto Scharmer („Theorie U“) fokussiert noch eine andere tiefergehende Frage: die nach dem Wer. Die Frage nach der Quelle, dem Ort, dem Ausgangspunkt, aus dem man wahrnimmt, kommuniziert und handelt. Scharmer nennt dies „den blinden Fleck“, auf den zu wenig geschaut wird.

Für den Job als Führungskraft absolut zentral: Wer ist diese Führungskraft? Wer will sie sein? Was ist ihre Haltung? Denn die Antwort auf diese Fragen bestimmt maßgeblich die Intention der Führungskraft und somit ihre Wahrnehmung, ihre Kommunikation und ihr Handeln.

Meiner Meinung nach wird in den Auswahl- und Entwicklungsprozessen für Führungskräfte viel zu wenig Wert auf dieses Wer gelegt. Also die Frage: Mit welcher Persönlichkeit haben wir es zu tun? Assessment-Center fokussieren eher darauf, was die Teilnehmer*innen wie machen. Dieses Verhalten ist aber oft nur eingeübt und deckt sich nicht wirklich mit der Persönlichkeit. So wird nicht die geeigneteste Führungskraft gefunden, sondern die Person, die am besten einen AC bestehen kann. Klassische Führungskräfte-Programme fokussieren eher Grundlagen-Kompetenzen, die dann eine zu geringe Wirkung entfalten, weil die entsprechende Haltung fehlt. Bestenfalls wird Wissen vermittelt, aber weder Können noch Wollen. So begegne ich häufig Führungskräften, die entweder zu autoritär, laissez-faire, narzisstisch oder sogar toxisch führen .

Aus diesen Gründen halte ich es im Kontext von Führung für absolut notwendig, die Aufmerksamkeit und das Bewusstsein auf das Wer, d.h. auf die Quelle der Wahrnehmung, der Kommunikation und des Handelns zu lenken. Hier geht es um die innersten Motive, d.h. was die Person tatsächlich antreibt. Und das aus zwei Perspektiven:

  • Selbstreflexion: Wer bin ich als Mensch und Führungskraft?
  • Fremdreflexion: Wer ist diese Person als Mensch und Führungskraft?

Bei der Auswahl und Entwicklung von Führungskräften geht es also auch immer um eine intensive Beobachtung durch die Auswählenden kombiniert mit der tiefgehenden Selbsterforschung dessen, was für das Unternehmen und die (angehende) Führungskraft sinngebend ist.